Der blinde Pater

Ein Gedicht von Jürgen Wagner
Von Beda Venerabilis
Erzählte man, das ist gewiss
Dass er erblindet war im Alter
Jedoch, er kannte seinen Psalter

Auch Predigen fiel ihm nicht schwer
Ein junger Mönch führt‘ ihn umher
Sein Sermon kam von ganzem Herzen
Doch sein Novize wollte scherzen

Und führte ihn mal in ein Tal
Mit Steinen in ganz großer Zahl
‚Nun sprecht‘, sagt er, ‚so viele sind
Hier stille lauschend wie ein Kind

Der Pater sprach mit großem Feuer
Mit einer Inbrunst ungeheuer
Er schloss - und wartete auf ‚Amen‘
So lange Stille ... plötzlich kamen

Ganz feine Klänge hoher Sphären
Als ob es Engelschöre wären
Er erschrak – ‚was ist denn dies?‘
Der Junge sagte: ‚ich war fies,

Und ließ Euch hier zu Steinen reden
Könnt Ihr mir noch einmal vergeben?
Nun diese hoben an zu singen
Und kündeten von hohen Dingen!‘

Der Pater war sehr schnell versöhnt
Denn selbst Franziskus ward‘ gekrönt
Von seiner Vogelpredigt, deren Triebe
Entsprangen einer tiefen Liebe



Anm.: Beda Venerabilis war ein angelsächsischer Benediktinermönch im frühen Mittelalter. Die Legende erzählt, warum er die Bezeichnung "venerabilis", "ehrwürdig" bekommen hat: als er, im hohen Alter erblindet, geführt werden musste um zu predigen, sagte ihm ein Begleiter, der ihn durch ein steiniges Tal führte, hier warte ein andächtiges Volk schweigend auf seine Predigt. Als Beda zum Schluss "in Ewigkeit" zu sagen anhob, ertönte mit lauter Stimme von den Steinen: "Amen, ehrwürdiger Vater".

Informationen zum Gedicht: Der blinde Pater

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02.06.2018
Das Gedicht darf unter Angabe des Autoren (Jürgen Wagner) für private Zwecke frei verwendet werden. Hier kommerzielle Anfrage stellen.
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