Brief des Dienstmädchens Mizzi Schneider an ihre Herrin Charlotte von Löwenfels
Wien, 12.05.1910
Madame, ich möcht‘ nicht übertreiben,
doch muss ich Ihnen dies nun schreiben.
Ich bitte Sie, mich zu entlassen,
warum? Sie werden es nicht fassen…
Ihr Gatte hat sich bös‘ benommen,
bisher ist er acht Mal gekommen…
Zuerst versuchte er mit Blicken
mir meine Unschuld zu ersticken.
Dann wurde er zum Schwerenöter,
benahm sich wie ein Straßenköter…
Details will ich Ihnen ersparen,
die sollten Sie von ihm erfahren…
Für jene zusätzliche Arbeit
und Ihres Gatten üble Dreistheit
erbitte ich 10.000 Schilling
und jenen schimmernden Rubinring
der Ihre Hand so trefflich ziert,
wer weiß was Ihnen sonst passiert…
Bedenken Sie doch den Skandal,
erledigt wär’n Sie allemal!
Die feinen Wiener würden staunen
und sich so mancherlei zuraunen…
Ergebenst, Ihre Mizzi Schneider
(Ich möcht‘ auch noch zwei Ihrer Kleider!)
Inspiriert durch Arthur Schnitzlers Bühnendrama "Reigen"
Das könnte Sie auch interessieren