Selene
Ein Gedicht von
Ralph Bruse
Selene
Am Haus,
das Mädchen,
ohne Schuh,
tastet mit Händen immerzu,
sich durch den bunten Frühlingsgarten.
Der Kater streicht ihr um die Beine.
Das Knirschen weisser Kieselsteine...
Als würde alles auf sie warten.
Sie setzt sich hin, auf Blumenhöhe;
nimmt Düfte wahr in nächster Nähe
und wiegt sich träumend mit dem Wind.
> Hallo Selene!, < ruft ein Junge.
Er streckt heraus die böse Zunge.
Verschwindet dann jedoch geschwind.
Sie greift behutsam um sich her.
Hört schon von fern das große Meer,
weil sie es niemals sieht.
Ein Windhauch stößt ihr Lächeln an,
das niemals freier werden kann,
als zu dieser Morgenstunde.
Die Hände legt sie flach zur Erde,
daß irgendetwas darin werde
sich ruhend legen, aus der Runde.
Ein Käfer ist´s, der Wärme findet,
der kribbelnd sich um Finger windet,
bis er ganz still verharrt.
*
Die Stunden flogen leicht dahin.
Im Dämmern hob sie Arm und Kinn.
Am Tor grüßt jener Mann mit Bart.
Er sagt: > Mein Kind, die Nacht bricht an.
Die Mutter wird sich sorgen dann. <
Die Stimme mahnt – und geht.
Sie nickt, hört noch des Alten Schritte,
von weither, hier, zur Gartenmitte,
eh tiefes Blau den Tag verweht.
Danach fühlt sie bei Stubenlicht
auch Schwermutschatten im Gesicht.
Manchmal
und nur bis zum Morgen.
© Ralph Bruse