Hafenbar
Ein Gedicht von
Ralph Bruse
Sie trank das soundsovielte Glas Wein.
Stimmen hüllten sie ganz ein
und ihr Lied - das von der Liebe.
Sie sang es; spürte sich selbst nicht,
als ob sie starb im blauen Licht -
und was von ihm ihr immer bliebe.
Matrosen murrten. Manche brüllen.
Sie will nur ihre Sehnsucht stillen:
sang ganz für sich allein - und ihn.
Ein Kerl zerrte sie von der Bühne,
mit Kopfschütteln, zorniger Miene.
Sie ließ sich nicht so einfach ziehn.
...Stand da, befreit aus groben Händen.
> Mein Lied, < rief sie > wird niemals enden! <
Urplötzlich war es still im Rauch.
Die Alten, Jungen standen wankend,
da vor der Bühne - nicht mehr zankend.
Sie starrten - wunderten sich auch.
Nun hob sich an das schönste Singen:
ein dünnes, zerbrechliches Klingen -
direkt hinein in Leib und Seele.
Die alte Frau sang um ihr Leben
und doch ganz leise noch, soeben.
Dann schwieg das Zittern ihrer Kehle.
Sie war nie Nachtclub-Sängerin.
Doch zog es sie zur Bühne hin,
nach vier, fünf Gläser roten Wein.
Das Lied, das sie einst für ihn schrieb:
es rauschte, stürmte...bis es blieb
und letztlich tief in ihr versank.
In Nächten, hier, am alten Hafen,
konnte erschöpft sie nachher schlafen,
wenn sie auf ihre Liebe trank.
*
Im Irgendwann sieht sie ihn wieder:
in ihr das eine Lied der Lieder.
Dann weht ein leichter Wind vom Meer
das Schiff vom Grund hinauf - und her.
(c) Ralph Bruse