Was Omi erzählte
Ein Gedicht von
Petra Friedel
Was ist denn das? Du liebe Güte,
was steckt da in der Märchentüte?
Dornröschen schläft den Schönheitsschlaf,
weil einst sie eine Hexe traf;
Schneewittchen träumt von einem Kuss,
weil der sie ja erlösen muss;
dann heult noch eins am Brunnenrand,
weils seine Murmel nicht mehr fand;
von einem Turme hört man‘s plärren,
es tut ihr was am Haare zerren-
und schließlich schreits: „ Jawoll, verderb'se!
sie jammert ständig auf der Erbse!“
Nur Heulerei, Geschrei, Gegreine:
gibt es im Märchen denn nicht eine,
die wild auf schwarzen Rossen reitet
und jüngferlich mit Drachen streitet?
Stattdessen wirft sie, welche Schand!,
ein kleines Fröschlein an die Wand,
lässt ihren Prinz am Haare fensterln
und fürchtet sich vor Feegespensterln!
Ein Jäger erst muss sie erretten
vom Wolfi, der in Omibetten
sein Un- bis dummes Wesen treibt:
Sag, ist nicht eine, die da bleibt,
dem Wolf die Zähne auszureißen?
Vampire 'mal zurückzubeißen?
Die Fliegen, gleich 'mal allen acht,
den fürchterlichsten Garaus macht?
Nicht eine Kleine, Süße, Zarte,
die böse Jungs (beim Drosselbarte!)
sehr zornig übern Marktplatz schleift,
wenn wer nach ihrer Schüssel greift?
(Ich hab, da könntet ihr mir trauen,
solch Kerle mit dem Schirm verhauen!)
Nun sagt, beim Barte des Propheten:
Hat würdig uns denn Eins vertreten?