Warten auf Mama (Eine Geschichte)

Ein Gedicht von Michael Jörchel
Schulschluss

Leonie freute sich heute besonders, auf den Schulschluss. Ihre Mutter wollte sie heute abholen, um dann mit ihr in die Stadt zu fahren. Die Mutter hat gesagt, dass Leonie unbedingt neue Schuhe benötigt, weil sie aus ihren alten Sandalen schon fast herausgewachsen ist.
Das Schuhe Anprobieren findet Leonie sehr anstrengend und langweilig, aber sie wusste, dass sie nachher auch ein Eis bekommen würde und einen Nachmittag nur mit der Mutter ist auch etwas Besonderes.
Also stürmte sie gleich nach dem Schlussklingeln aus der Klasse und aus dem Schulhaus heraus. Aber vor der Tür stand – Niemand.
„Oh, da hat Mama wohl wieder getrödelt.“ Dachte sich Leonie und setzte sich auf die Bank direkt neben dem Schultor. „Zu dumm, dass ich heute Mein Handy nicht mitgenommen habe, aber ich habe vergessen, den Akku aufzuladen und deshalb habe ich es zu Hause gelassen. Sie hätte mir bestimmt eine Nachricht hinterlassen.“
Sie holte ein Buch heraus, dass sie vor zwei Wochen, von Onkel Martin, zu ihrem achten Geburtstag bekommen hat. „Unser Sonnensystem“ stand in großen gelben Buchstaben darauf. Darunter ein Bild mit der Sonne und den Planeten.
Leonie mag das Weltall mit all den Planeten und Sternen. Wenn sie einmal groß ist möchte sie gerne eine Astronautin werden und ganz viele Sterne und Planeten erforschen.


Herr Peschke

Als sie sich in das Buch vertieft hatte hörte sie eine Stimme neben sich.
„Na, Leonie magst du denn gar nicht nach Hause? Alle anderen Kinder sind schon weg.“
Es war Herr Peschke, der Hausmeister. Er wollte gerade das Schultor schließen, als er Leonie auf der Bank entdeckt hat. Herr Peschke ist immer sehr freundlich. Wenn es eine Freistunde gibt, dann lässt er sie manchmal in den Naturwissenschaftsraum wo sie sich dann Sternenkarten ansehen oder auch durch das Teleskop schauen kann.
„Ich warte auf meine Mutter.“ sagte Leonie. „Wir wollen in die Stadt fahren, weil ich neue Schuhe brauche.“
„Vielleicht hat es ja deine Mutter vergessen. Soll ich dich nach Hause bringen?“ fragte Herr Peschke.
„Das ist sehr nett.“ antwortete Leonie „Meine Mutter wäre aber bestimmt enttäuscht, wenn sie hierherkommt und mich nicht findet.“
„Dann viel Spaß mit deinem Buch und lass dir die Zeit nicht zu lang werden.“ sagte Herr Peschke freundlich und ging wieder zurück in die Schule.


Frau Schmidtke

Kurze Zeit später wurde sie wieder angesprochen. „Hallo Leo, was machst du hier so ganz allein vor der Schule?“ Eine Dame mit einem Einkaufswagen lächelte sie freundlich an.
„Hallo Frau Schmidtke. Meine Mama wollte mich heute abholen, aber irgendwie ist wohl etwas dazwischengekommen.“
Frau Schmidtke wohnte ebenfalls in dem großen Haus in dem auch Leonie mit ihrer Familie wohnt. Sie hat sie schon öfter gesehen und ihre Mutter hat sich auch gelegentlich mit ihr im Fahrstuhl oder vor der Haustür unterhalten.
„Komm doch einfach mit mir mit.“ bot ihr Frau Schmidtke an „Wir haben ja den gleichen Weg.“
„Nein danke.“ sagte Leonie freundlich „Ich warte lieber auf Mama und mit Menschen, die ich nicht so gut kenn darf ich auch nicht so einfach mitgehen.“
„Da hast du auch wieder Recht.“ lachte Frau Schmidtke „Bleibe weiterhin so vorsichtig. Auf Wiedersehen.“
„Auf Wiedersehen.“ sagte Leonie und wandte sich wieder den Sternen zu.


Die Frau im Auto

Nach einer Weile quietschten Autoreifen vor ihr. Ein Auto hielt und die Frau, die das Auto fuhr, beugte sich vor und öffnete von innen die Beifahrertür.
„Komm schnell, deine Mutter hatte einen Unfall und ist jetzt im Krankenhaus. Sie hat gesagt, dass ich dich hier abholen soll.“
Leonie erschrak und lief sofort los, zum Auto, aber dann hielt sie inne. Sie kannte diese Frau nicht und hat sie auch noch nie gesehen.
„Haben sie mir noch etwas zu sagen?“ fragte Leonie.
„Was soll ich noch sagen?“ rief die Frau ihr ungeduldig zu „ES EILT.“
„Nein, ich komme nicht mit. ich kenne sie nicht und ich glaube ihnen nicht.“
Während Leonie das sagte, entfernte sie sich so weit wie es ging, vom Auto in Richtung Schule.
Sie winkte Herrn Peschke zu, der auf dem Schulhof die Mülleimer leerte. Herr Peschke winkte zurück.
Die Frau knallte die Beifahrertür zu und fuhr genauso quietschend davon, wie sie gekommen ist.


Ein Baby ist gekommen

Es wurde schon dunkel und Leonie machte sich langsam sorgen. Da kam ein Junge auf sie zu. Sie kannte ihn vom Sehen. Er war schon in der zehnten Klasse. Seine Tante wohnte im selben Haus wie sie.
„Ich soll dich abholen.“ sagte er „Deine Mutter hat meine Tante ins Krankenhaus gefahren, sie hat ein Baby bekommen. Ich bin heute Cousin geworden. Jetzt packe dein Buch ein und komme mit. Vielleicht kannst du sogar das Baby sehen.“
„Hast du mir vielleicht noch etwas zu sagen?“ fragte Leonie
Der Junge wurde ungeduldig, überlegte etwas und sagte dann: „Was meinst du? vielleicht stepptanzendes Bügelbrett?“
Leonie lachte, sprang auf, packte ihr Buch in ihren Schulranzen und begleitete den Jungen ins Krankenhaus. Sie war gespannt auf das Baby.
„Ich dachte erst, es wäre ein Scherz, als deine Mutter mir gesagt hat, dass ich stepptanzenden Bügelbrett sagen soll, wenn ich dich treffe.“ sagte der Junge verwundert. „Was hat das zu bedeuten?“
„Das ist unser vorläufiges Codewort. Damit weiß ich, dass dich meine Mutter wirklich schickt und du nicht jemand bist, der mich entführen möchte. “erklärte ihm Leonie „Jetzt müssen wir uns ein Neues ausdenken, weil dieses hier schon benutzt wurde.“
„Wie wäre es mit Ballett tanzender Boxer?“ fragte der Junge und lachte.
„Wäre nicht schlecht.“ erwiderte Leonie. Sie lachte mit und beide erfanden auf dem Weg zum Krankenhaus neue und kuriose Codewörter.

© Michael Jörchel

Informationen zum Gedicht: Warten auf Mama (Eine Geschichte)

1.328 mal gelesen
(2 Personen haben das Gedicht bewertet. Der Durchschnitt beträgt 4,0 von 5 Sternen)
-
15.08.2022
Das Gedicht darf unter Angabe des Autoren (Michael Jörchel) für private Zwecke frei verwendet werden. Hier kommerzielle Anfrage stellen.
Anzeige