ZEIT ZEIT
Ein Gedicht von
Markus Bürki
ZUM NEUEN JAHR 2015
LONGINES HAT NICHT DIE ZEIT ERFUNDEN.
HAT BLOSS SIE INS GEHÄUS‘ GEPACKT,
WO SIE, ZERSCHNIPPELT IN SEKUNDEN,
NUN RÜCKSICHTLOS BEFIEHLT DEN TAKT.
GOTT SCHUF DIE ZEIT, DOCH NICHT DIE EILE,
HAT TAG UND NACHT FÜR GUT BEFUNDEN,
AUF DASS DER MENSCH SICH DRIN VERWEILE.
LONGINES HAT NICHT DIE UHR ERFUNDEN,
HAT IMMER NUR DIE FORM GEADELT.
WER HEUT‘ IM STRESS, TERMINGESCHUNDEN,
TUT UNRECHT, WENN ER LONGINES TADELT.
DIE ZEIT WARD IMMER SCHON GEMESSEN,
RELIKTE ZEUGEN’S, ALTE AKTEN:
DER MENSCH IST, SCHEINT’S, GANZ DRAUF VERSESSEN,
DEN TAG SICH MÖGLICHST KLEINZUTAKTEN.
CHRONOS SCHUF ZEIT, DOCH NICHT DIE UHR.
DER HOMO SAPIENS RÜHMT SICH DESSEN.
DIES SEI SEIN BEITRAG ZUR KULTUR,
UND SEINEM WESEN ANGEMESSEN,
DAS OFT SICH AUFLEHNT, SELTEN KUSCHT,
UND ZYNISCH, FREVELHAFT VERMESSEN
DEM SCHÖPFER STETS INS HANDWERK PFUSCHT.
ER HAT DIE UHR JETZT, DRIN DIE ZEIT
IN DUNKLER KAMMER FESTGEHALTEN;
SO GLAUBT ER. DOCH IN WIRKLICHKEIT
LÄSST SIE VON IHM SICH NICHT VERWALTEN,
DIKTIERT AGENDA, SETZT TERMINE,
REGIERT VOLL UNERBITTLICHKEIT,
BIS DASS, ERSCHRECKT, MIT ERNSTER MIENE,
GEZEICHNET SCHON VON BITTERKEIT
SEIN ALTER EGO KLARTEXT SPRICHT:
„WO BLEIBT DENN JETZT NUR MEINE ZEIT?
SO GEHT’S NICHT WEITER, NEIN, SO NICHT!“
BESTELLT BEI LONGINES EINE UHR
MIT WEISSEM BLATT, DOCH OHNE ZIFFERN
SOWIE MIT EINEM ZEIGER NUR.
MARKUS BÜRKI SCHLOSSWIL