JAHR FÜR JAHR
Ein Gedicht von
Markus Bürki
ZUM NEUEN JAHR 2014
Gesattelt schon steht Pegasus.
Er brüllt im Stall und scharrt wie toll.
Ich setz‘ mich drauf, und hoffnungsvoll
erwarte ich Euterpes Kuss.
Doch was sie faucht dann, walzt mich platt:
„Wer konnt‘ dich, Tor, dazu verpflichten,
zum Jahreswechsel stets zu dichten?
Heut‘ ohne mich, ich hab es satt.“
Dann schiebt sie nach mit leichtem Hohn,
recht süffisant und kühl gelassen:
„Du bist aus Takt und Reim entlassen,
such‘ sonstwo deiner Liebe Lohn:
Erato hätte viel zu bieten.
Meist mag‘s sie‘s sanft und amourös,
doch oft sehr wild und kapriziös.
Ach lass. Die ist auch nichts für Nieten.
Terpsichore wird dich verlocken
mit Chorgesang und edlem Tanz.
Doch merkt sie bald, dass du ja ganz
unrhythmisch bist, und lässt dich hocken.
Vor jener dort halt dich zurück:
Denn, schicksalsschwanger, Melpomene
täuscht Glück nur vor in früher Szene.
Doch tragisch endet jedes Stück.
Thalia könnt‘ dich leicht erfreuen,
denn mit viel Geist und Lust behend
schafft sie es stets zum Happy End.
Versuch’s, du wirst es nicht bereuen.
Kalliope spar‘ dir zum Schluss.
Die hat ihr Herz nicht gar so eng
und nimmt’s mit Regeln nicht so streng,
und doch verheisst sie Hochgenuss.“
Nun steh‘ ich da, ich armer Tor,
und bin so klug als wie zuvor.
An wen soll ich mich künftig richten?
Wär‘s besser gar, drauf zu verzichten?
Markus Bürki Schlosswil
Legende
1 Pegasus, des Dichters Ross
2 Euterpe, Muse der Lyrik und des Flötenspiels
3 Erato, Muse der Liebesdichtung
4 Terpsichore, Muse für Chorlyrik und Tanz
5 Melpomene, Muse der Tragödie
6 Thalia, Muse der Komödie
7 Kalliope, Muse der epischen Dichtung