Es war einmal in einer ganz gewöhnlichen Arztpraxis
Ein Gedicht von
Marcel Strömer
Es war einmal in einer ganz gewöhnlichen Arztpraxis.. Szenerie: "Lass mich bitte in Ruhe!"
- 1. Abmahnung -
Abmahnung an den behandelnden Hausarzt, von der an eines unheilbaren Leidens erkrankten, erwerbslosen Witwe, die bereits seit geraumer Zeit Arbeitslosenhilfe II, kurzum ALG II, bzw Hartz IV erfolgreich bezieht.
[Folgende Wiedergabe der vertraulichen Unterredung der Witwe mit ihrem Hausarzt nach dem Besuch in der Praxis zum vereinbarten Arztgespräch. Ihr Gang zu ihrem Hausarzt war an hohe Erwartungen geknüpft. Sie hatte allerlei wichtige wie auch unwichtige Fragen und Anliegen bezüglich ihres fortgeschrittenen körperlichen Leidens. Sie war auf das Gespräch sehr gut vorbereitet. Allerdings war die Zeit der Behandlung mit ihrem Hausarzt sehr knapp bemessen, um ein genaueres Bild von ihrer Situation und ihrem Krankheitsbild machen zu können. Ihre aktuellen Beschwerden waren nicht unerheblich und sie schien doch sehr verzweifelt zu sein. Den allgemeinen Krankheitsverlauf hatte sie schriftlich eingereicht. Die Offenheit des Gesprächs war garantiert sehr essenziell und punktgenau im Detail. Hier nun ein kleiner Ausschnitt aus dem vertraulich geführten Gespräch in der Arztpraxis]
"Lassen sie mich in Ruhe leiden,
aber bitte üben sie grosszügigen Verzicht darauf, dass ich hier und jetzt verblute!"
"Schenken sie mir ihre uneingeschränkte Aufmerksamkeit ihres recht verkühlten Herzinnenhofes!"
"Bitte unterlassen sie es doch gnädigerweise, auf ihre sonst so unnachamlich sonore Art mir fälschlicherweise ihre Treue und Menschenliebe zu bekunden, mich mit fadenscheinigen Genesungswünschen zu umgarnen und umschmeicheln, mich mit ihrem medizinischen Fachwissen und Ratschlag abermals zu entwaffnen, um anschliessend Sprays und Wirkstoffpflaster, Filmtabletten und Hartkapseln, Dragees, Tropfen- und Schluckproben der Pharmaindustrie, Psychopharmaka, Analgetikum, Antibiotika und allerlei abzufeiern!"
"Danken sie stattdessen lieber während der Ausarbeitung ihrer jährlichen Steuererklärung dem allseits umliebt-begabten und überaus spendablen Abgeordnetenhaus der Ärztekammer für grosszügige Gesetzeslücken!"
"Trotzdem - und gerade deswegen: Seien sie sich immer der Tatsache gewiss, das Maß ihres Übermuts an vermeidbarer Unredlichkeiten kennt keine Grenzen!"
© Marcel Strömer
[Magdeburg, den 27.03.2019]