Zungenkuss

Ein Gedicht von Klaus Enser-Schlag
Brief des Mönches „Bruder Antonius“ an den Mönch „Bruder Lorenz“

Du weißt, dass jeder Bruder „muss“,
doch jener simple Zungenkuss,
den wir im Mondschein uns nur gaben,
kann mein Verlangen nicht mehr laben.

Mein Bruder, ich muss Dir gesteh’n,
ich will Dich ohne Kutte seh’n!
Dies‘ gottverdammte Zölibat
hat uns den Druck niemals erspart,
den wir in uns’ren Lenden tragen,
zu allem „Ja und Amen“ sagen…

Ab heute weht ein andr’er Wind,
und sind wir dann auch Teufels Kind,
ich will mit Dir in Sünd‘ verderben
und nicht als keuscher Bruder sterben…

Lass‘ seh’n, was uns’re Körperkraft
mit Phantasie so alles schafft.
Im Kreuzgang möcht‘ ich’s mit Dir tun
und dann auf feuchtem Rasen ruhn‘…

So mancher Gast, der zu uns kam,
war von dem Abt sehr angetan…
Und deshalb, Bruder, sei bereit
streif‘ ab die schnöde Spießigkeit!

Der Abt hat nicht das Recht allein
von Männerhand berührt zu sein,
die Wolken vor dem Monde steh’n,
der liebe Gott kann gar nichts sehn..

Informationen zum Gedicht: Zungenkuss

472 mal gelesen
09.03.2017
Das Gedicht darf nur mit einer Erlaubnis des Autoren kopiert oder veröffentlicht werden. Jetzt Anfrage stellen.
Anzeige