ZWERGE
Ein Gedicht von
Jürgen Wagner
Sie wohnten in Felsen, hausten im Boden:
die Geister der Erde war‘n dort aufgehoben
Sie mieden das Licht, war‘n tüchtige Schmiede,
sie hüteten Schätze und kannten die Liebe
Heut finden wir sie in so mancher Geschichte
Die Kinder lieben die freundlichen Wichte
Weißbärtig und nett steh’n sie in den Gärten,
missachtet konnten sie bösartig werden
Der Zwerg gehört zur inn'ren Welt
Der Kleinwuchs fasziniert, missfällt
Denn manchmal ist das Kleine groß
und stellt das scheinbar Große bloß
Die Kräfte der Erde, die kleinen, verdeckten,
die Arbeit der Käfer, Würmer, Insekten,
Bakterien und Pilzen, die machen aus Totem
einen herrlich brauchbaren, fruchtbaren Boden
Anm.: Die Zwerge personifizieren die Erdkräfte. Sie sind in der germanischen Mythologie älter als die Menschen. Sie entstanden zur Urzeit aus den Maden, die sich im verwesenden Leichnam des Urriesen Ymirs gebildet hatten. Damit ist ihr abstoßendes Äußeres schon vorgegeben. Daneben schrieb man ihnen auch noch einen bösen, habgierigen und listigen Charakter zu. Es gab aber unter ihnen die gutmütigen und freundlichen genauso wie die hässlichen und gemeinen. Bekannt sind sie als geschickte Handwerker, die in der Lage sind, magische Gegenstände herzustellen. Thor verdankt ihnen seinen Hammer, Freya ihren Halsschmuck, Odin seinen Ring und seinen Speer, die Fessel des Fenriswolfes ist eine Zwergenarbeit, sogar der Dichtermet verdankt sich dem Blut eines Zwerges (Kvasir).