Die 13. Kammer
Ein Gedicht von
Jürgen Wagner
Das neunte Kind von armen Eltern,
es war daran nichts mehr zu ändern
Sie fanden nicht mal einen Paten
und wussten sich nicht mehr zu raten
Sie gaben es der edlen Dame
Sie ahnten leise deren Name
Am Waldrand war'n sie ihr begegnet
Auf ihre Frag hat sie entgegnet:
"Ich nehm' das Kind und werd's erziehen,
werd' scheuen weder Kraft noch Mühen
Ich werd' es lehren und ihm geben,
was immer es bedarf zum Leben"
So kam sie in den grünen Garten,
wo blühten viele schöne Arten
und mittendrin, da stand i h r Haus,
da wuchs sie auf, da hielt sie's aus
Sie half der Frau beim Wassertragen,
durft fegen, kochen, waschen, fragen
Blitzsauber war hier jede Kammer
Nur eine letzte, fast ein Jammer,
die durft' sie keinesfalls betreten,
mit keinem Menschen drüber reden
Nur einmal spähte sie hinein:
da fiel auf sie ein gold'ner Schein,
den konnte sie nicht mehr verbergen
Es half kein Lappen, kein Sich-Ärgern
Die Frau, die fragte sie danach -
Sie schwieg und fühlte tiefe Schmach
Sie wurd' verbannt und musste gehen,
sie konnte einfach nicht gestehen
den kleinen Blick durch's Schlüsselloch
Der Fluch, der folgte ihr dann noch
Die schöne Frau fand Mann und Ehe
Drei Kinder hatten sie, doch wehe!
Drei Mal erschien ihr jene Frau
und fragte noch mal ganz genau
Sie bracht's nicht über ihre Lippen
und hat es dann drei Mal erlitten:
Das Kind, das wurde ihr genommen
Sie war vor Schmerzen wie benommen
Die gold'ne Frau, sie wurd' verklagt
'Du Hexe' - wurd' ihr nachgesagt
Der Scheiterhaufen stand schon da,
da kam ihr jene Frau ganz nah
und fragte sie ein letztes Mal,
was denn an jenem Tag geschah
Da sprach sie und gestand es ein
Jetzt konnt' die Patin sie befrei'n
Und nahm sie mit in jenen Garten,
wo ihre Kinder auf sie warten
Sie liefen zu der Mutter hin:
Das ist des Lebens Neubeginn!
Nach der Erzählung 'Die gleißende Kammer' von Karl Paetow aus dem Sagenkreis der Frau Holle