Das Faultier
Ein Gedicht von
Jürgen Wagner
Im Regenwald, im Regenwald,
da hängt im Baum der Willibald
Sieht man die Welt einmal kopfüber,
ist man erfreut und etwas klüger
Man muss nicht immer jagen, hetzen
Man kann auch auf die Ruhe setzen
Probier' es mal mit Langsamkeit,
mit guter Laune, Sparsamkeit
und suche dir ein schönes Plätzchen,
vergiss auch nicht ein liebes Schätzchen
Du bist geschützt bei schlechtem Wetter,
drehst mal den Kopf und frisst die Blätter
Er ist nicht faul, der Willibald,
nur in den Ästen festgekrallt
lebt er so schlicht und ökonomisch,
ganz fröhlich - und ein wenig komisch
Anm.: Faultiere bewohnen die Baumkronen der tropischen Regenwälder von Mittel- und Südamerika. Sie können nicht (mehr) aufrecht auf dem Boden laufen, die meiste Zeit hängen sie kopfüber in den Bäumen. Sie sind Weltmeister im Energiesparen und bewegen sich allenfalls im Zeitlupentempo. Nur einmal pro Woche verlassen sie den Baum, um Kot und Urin abzusetzen und riskieren dabei ihr Leben, da sie sich auf dem Boden schlecht bewegen können. Zum Fressen der Blätter und Knospen müssen sie meist nur den Kopf drehen, aber durch ihre energiearme Nahrung arbeitet ihr Stoffwechsel extrem langsam. Ihre Lebensform ist sehr alt und hat sich bewährt: über 30 Millionen Jahre. Vor ca. 10 000 Jahren starben aber die meisten Faultierarten aus (z.B. das amerikanische Riesenfaultier, das auf dem Boden lebte und bis zu 6 t Körpergewicht aufbrachte), so dass nur noch 6 Arten übrig geblieben sind, die alle in den Baumkronen leben. Die Tiere leben energetisch auf so bescheidenen Niveau - und wirken - und sind es wahrscheinlich auch - so zufrieden und glücklich! Ihr Fell ist übersät von Milben und anderen Insekten - aber sie züchten Motten darin und nähren sich von den Algen, die durch diese mit entstehen. RUHETIERE - statt FAULTIERE - müsste man sie nennen.