Vier kleine Negerlein
Ein Gedicht von
Heinz Säring
Vier kleine Negerlein
oder
Deutsch-sowjetische Freundschaft
Vier Staatsmänner fuhren - lang her ist es schon -
in größerer Höhe mit einem Ballon,
der plötzlich - man fragt sich, wie oft kommt das vor? -
beängstigend kräftig an Höhe verlor.
Die Insassen kamen zu zweit aus dem Westen,
und zwei aus dem Osten - das waren "die Besten".
de Gaulle, Mister Trumann aus den USA,
der Stalin und Ulbricht, sein Freund, wie man sah.
Schon saß ihnen in allen Gliedern der Schreck:
Wir sind jetzt zu schwer zu viert! Einer muss weg!
Damit sie nicht alle zusammen verderben,
müsst einer für alle, bereit sein zu sterben.
Doch wär freilich jedem das Opfer zu groß,
drum lässt man entscheiden den Zufall, das Los.
Und drei von den Vieren, die können noch hoffen,
es hat den französischen Staatsmann getroffen.
Der zaudert nicht lange, hält mannhaft sein Wort,
ein kurzes "Lebt wohl!" und er geht über Bord.
Er rief noch, bevor er nach unten verschwand:
"Es lebe mein Frankreich, es lebe mein Land!"
Doch auch die drei anderen stimmt das nicht heiter,
sie merken entsetzt: Das Vehikel sinkt weiter.
Der Boden bleibt weiter heiß unter den Sohlen:
Sie müssen jetzt die Prozedur wiederholen.
Den Trumann erwischt es, auch er ist jetzt dran,
auch dieser beeilt sich; man tut, was man kann.
Man hört noch, bevor er dann zügiger fällt,
"Es lebe die Freiheit, die Freiheit der Welt!"
Das war dem Ballon aber noch nicht genug,
auch jetzt geht noch weiter nach unten der Flug.
Sie waren inzwischen ja nur noch zu zweit.
Man muss sich beeilen, es ist höchste Zeit!
Der Ulbricht konnt diesmal das Glückslos erringen.
Jetzt war es an Stalin, hinunter zu springen.
Der Ulbricht zu Stalin: "Dein Leid - könnt ich's mindern!"
Doch der gibt dem Freund einen Tritt in den Hintern!
Das war für den Ulbricht ein herzhafter Stoß,
Er konnt sich nicht halten, die Reise ging los!
Man hört vor dem Aufschlag mit kläglichem Ton:
"Es lebe die Liebe zur Sowjetunion!"