Deutsche zweiter Klasse - Teil I
Ein Gedicht von
Heinz Säring
Deutsche zweiter Klasse -Teil I
Als der verbrecherische Krieg
ein Ende hat genommen,
da hatte jeder erst mal Glück,
der heil davongekommen.
Dann ging es in der ersten Zeit
- noch irgendwie gerecht -
in Trümmern, bei Entbehrungen
dem g a n z e n Deutschland schlecht.
Ein Teil des Landes ging verlor'n
- wo heute Fremde wohnen-
das and're wurde aufgeteilt
in vier Besatzungszonen.
Wir fielen an die Russen,
das war unser Missgeschick.
Wer zu den andern dreien kam,
der hatte großes Glück.
Ihr kamt dann durch den Marshallplan
schnell wieder in den Tritt.
Er war ja auch für uns gedacht,
doch Stalin macht' nicht mit.
Denn dieser skrupellose Mensch
hat nur an sich gedacht.
Es ging nicht um den Fortschritt,
es ging nur um seine Macht!
Dass die SU nicht helfen kann,
das konnt' nicht überraschen -
greift doch mal einem nackten Mann
in seine Jackentaschen!
Sie hatten mit dem Westen den
Agressor zwar besiegt,
doch hat der Krieg grad Russland
sehr viel Schaden zugefügt.
Und man bestrafte uns, die sich
der Russe auserkoren,
als hätten w i r a l l e i n den Krieg
verschuldet urnd verloren.
Sind wir denn hier im Osten
eine minderwert'ge Rasse,
dass man uns so behandelt hat,
wie Deutsche zweiter Klasse?
Hier wurde, was noch brauchbar war,
von Russen demontiert,
mit Schaden und Verlust
in Richtung Osten transportiert.
Sie haben uns natürlich ihr
System aufoktroyiert,
was in der Wirtschaft eben
miserabel funktioniert.
Wir konnten nur mit purem Neid
in Richtung Westen gaffen
und uns bemühen, aus dem Nichts
heraus etwas zu schaffen.
Trotz aller Widerwärtigkeit -
wir mussten uns bemüh'n,
uns an den eign'en Haaren
aus der Scheiße rauszuziehn.
Sehr viele zogen weg,
der Westen konnte sie kaum fassen,
doch ist's nicht jedermannes Ding,
die Heimat zu verlassen.
Als man dann - welch Gewaltakt -
eine Mauer hat gebaut,
hat mancher sich, trotz Schießbefehls,
dennoch die Flucht getraut.
Und eine ganze Menge
wurden wirklich abgeknallt,
so haben manche mit dem Leben
den Versuch bezahlt.