Fahrerflucht oder die Schweigepflicht
Ein Gedicht von
Heiner Hessel
Auf einer Kreuzung fast bei Nacht
hat es gar fürchterlich gekracht.
Rechts vor links war hier ganz klar,
was dem Frank sein Übel war.
An den Boden er kurz kroch
nach der Kippe – die brannte noch.
Außerdem hatt‘ er sowohl
auch noch reichlich Alkohol.
Das gibt eine Schererei.
„Bloß jetzt keine Polizei!“
Kurz entschlossen, leichenblass
gibt der Frank gleich wieder Gas.
Noch im Spiegel kann er sehen
´nen Daimler auf der Kreuzung stehen.
Kein Mensch glaubt er - hat ihn entdeckt,
sein Nummernschild war ganz verdreckt.
Nicht mal im Daimler jener Mann,
der wohl vor Schreck nichts sehen kann.
Ob dem vielleicht etwas passiert,
das hat den Frank nicht interessiert.
Doch in der Zeitung stand ganz groß
die Meldung vom Zusammenstoß,
und nach dem Fahrer wird gesucht
wegen seiner Fahrerflucht.
Der Frank sinnierte sorgenvoll,
ob er sich nicht doch stellen soll.
Er fand des nachts auch keine Ruh‘,
was kommt an Ärger auf ihn zu?
Auf jeden Fall war es ihm klar,
dass seine Flucht ganz schäbig war.
Denn sein Gewissen ihn recht plagte,
weshalb er insgeheim sich fragte:
Ob ihm als Katholik und Christ
die Beichte eine Lösung ist?
Mit dem Gewissen schwer wie Blei
ging er zum Beichtstuhl der Pfarrei.
„Herr Pfarrer“ hörte man ihn sagen,
„mir liegt was Schlimmes auf dem Magen,
ich bin vor kurzem in der Nacht
in einen Wagen reingekracht.
„Die Polizei wollt‘ ich mir sparen
und bin ganz heimlich weggefahren.
und weil ich - was man ja nicht soll
getrunken hab‘ viel Alkohol.
Der Pfarrer fragt ihn kreuz und quer,
rutscht in dem Beichtstuhl hin und her.
„Wann war das ganz genau mein Junge“?
fragt er ihn mit schon trock’ner Zunge.
.
„War das ein Daimler – sag es schon,
sonst kriegst du keine Absolution!“
Der Frank hat sich total verstrickt
und alles nur noch abgenickt.
„Ja Gott sei Dank, jetzt hab‘ ich dich,
der Daimlerfahrer der war ich.
Das wirst du büßen junger Mann,
gleich morgen früh zeig‘ ich dich an!“
Der Frank war völlig von den Socken,
denn er war ziemlich stark erschrocken.
Er ging zum Pfarrer voll Vertrauen,
nun will der ihn in die Pfanne hauen.
„So, so, Herr Pfarrer“ sagt der Frank,
da gibt es etwas Gott sei Dank:
Denn allzu einfach geht das nicht;
Sie steh’n doch unter Schweigepflicht!“