Ein Mythos aus alter Zeit

Ein Gedicht von Heiner Hessel
Mythen gibt’s wie Sand am Meer,
das weiß man schon von alters her.
Und auch bei diesem weiß man, dass
er noch erzählt wird nur zum Spaß.

Es gibt schon lange die Erfahrung
den Vorurteilen reichlich Nahrung,
dass fromme Weiber oft nicht leben
wie sie uns meistens vorgegeben.

Im tiefen Schwarz- und Hotzenwald
da gab‘s ein Sprichwort – schon sehr alt:
„Von vorne scheinbar fromm im Sinn,
in Wahrheit sitzt der Teufel drin!“

Besonders da wo noch zuerst
die Inzucht lange vorgeherrscht,
wo man dem Pfarrer ungestört
ganz unterwürfig zugehört.

Doch immer wieder hört man flüstern,
so manche junge Frau ganz lüstern
im Heuschopf sich verführen ließ
und wurde schwanger überdies.

Da brachten schon die frommen Weiber
als gut geübte Hintertreiber
dem Ehemann gerissen bei,
dass er der echte Vater sei.

Und setzten damit obendrauf
dem armen Kerl noch Hörner auf.
Man fragt sich da, hat das denn nun
mit Frömmigkeit noch was zu tun?

Am Sonntag geht die junge Kesse
ganz brav und züchtig in die Messe,
um sich in Frömmigkeit zu üben
als könnt‘ kein Wässerchen sie trüben.

Jedoch der Bauer war nicht dumm,
er recherchiert und hört sich um.
Nachdem man lange ihn geneckt
hat man die Wahrheit ihm gesteckt.

Und weil der Bauer nicht verklemmt,
ging er aus Rache selber fremd.
Jedoch sein Weib hat’s gleich gerochen
und hat ihn zwar nicht gleich erstochen.

Sie ging zu ihrer Freundin hin
zur jungen Apothekerin,
die sollte einen Plan entfalten;
weil Weiber ja zusammenhalten!

„Aconitum das wäre gut,
es stammt vom blauen Eisenhut.
Am Abend etwas in den Tee;
das schmeckt er kaum und tut nicht weh!“

Als morgens früh der Hahn gekräht
wars für den Bauer schon zu spät.
Der Doktor kam, was sollt‘ er sagen?
„Ihr Mann verstarb an Herzversagen!“

Jetzt hat die Witwe laut gekichert;
ihr Mann war auch noch hoch versichert.
Der Plan ging auf wie abgemacht
und niemand schöpfte je Verdacht.

Und wieder geht die junge Kesse
ganz brav und züchtig in die Messe,
um sich in Frömmigkeit zu üben
als könnt‘ kein Wässerchen sie trüben.

Informationen zum Gedicht: Ein Mythos aus alter Zeit

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11.03.2023
Das Gedicht darf unter Angabe des Autoren (Heiner Hessel) für private Zwecke frei verwendet werden. Hier kommerzielle Anfrage stellen.
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