Das Sparrenburg Gespenst
Ein Gedicht von
Hans Witteborg
Das Sparrenburg Gespenst
Die Nacht hat die Geschäftigkeit vertrieben.
Die Dunkelheit hüllt Mauern ein und Kasematten.
Im fahlen Mond, das einz´ge Licht das noch verblieben,
sieht man sie huschen eine kleine Schar von Ratten.
Drohend der Bergfried, wie ein Zeigefinger
ragt er am Felsenrand so unerschütterlich
trotzte hunderte von Jahren jedem Burgbezwinger
und hütet ein Geheimnis, welches fürchterlich.
Ein Käuzchen krächzt um Mitternacht,
mit ihm ein Klageruf erklingt,
es ist das Burggespenst, das nun erwacht
und wimmernd hohl sein Klagen singt.
Im Büßerhemd schwebt langsam es heran,
das Mädchen, das vor grauer Zeit
das Herz des Grafen einst gewann,
sein Spielzeug wurd´, bis er es leid.
Die Gräfin zieh den Ehebruch-
Doch ließ sie ohne sein Bedauern
das arme Mädchen mit ´nem Fluch
lebendig in das Burgverlies einmauern.
Der Fluch jedoch wurd´ nie geheilt,
durch heil´gen Spruch nicht abgewandt,
darum das Mädchen heut noch weilt
als ein Gespenst im Bußgewand.
Das Käuzchen ruft und Fledermäuse
umflattern wild die Spukgestalt.
Die Uhr schlägt eins – in sein Gehäuse
zieht sich zurück das Opfer der Gewalt.
Die Burg fällt wieder in Jahrhundertschlaf,
stolz weht die Fahne mit drei Sparren.
Das Burgtor wird geöffnet bei Bedarf,
wenn die Besucher tagsüber dort verharren.