Titanisches.
Ein Gedicht von
H. Aemmerli
Titanisches.
Ich wollt' ich wär die ‘Titanic’.
Wirklich?
Sonderbar!
Doch ganz klar:
Wär ich ganz normal durch die
Ozeane getrottet,
Hätten’s mich schon lange
kommentarlos verschrottet.
Aus mir wurde was, werd’ noch nach Jahren
in Kantinen, Cafés, Internet-Baren
die analysierenden
vibrierenden
superkühlen
durchwühlen.
Hollywood macht’s möglich.
Wörtlich!
Was tödlich,
ist gefragt, ist anscheinend nötig.
Bring jetzt ein mehrfaches an Millionen ein als selber gekostet,
Bin, dank des Filmes, das rentabelste Ding, dass jemals verrostet.
Beflaggt mit Streifen und Sterne
dampfte ich in die Ferne
War Spitzentechnologie
war voll drin!
Ein Turm zu Babylon
in Brutto-Tons.
Bin hochberühmt in jedem Land!
Weltbekannt!
Von Jung und Alt
zu Heldin der Meere ernannt.
Welcher Maid ward, noch so gut gebaut
beim ersten Ausgang der
Keuschheit beraubt?
Habe mit einem einzigen
Seitensprung, eisig geküsst,
mit dem Leben gebüsst.
Da beladen mit Fehl
nahm mich die See.
Hochmut bringt Fall.
Überall.
Bin das Jahrhundertereignis
schlechthin.
Bin ‘in’ !
Immerhin,
liegen noch ein paar kalte Körper
drin.
Neben Gold-Fasanen, Calvados
d’hors age,
Chinesische Vasen, Geschmeide en
masse,
modern die Seidenkleider der
Mätressen.
ein Stock tiefer die verfaulten
Resten
deren in Zwillichhosen,
der Matrosen,
und solchen, die nicht in die
Barkassen
passten.
Happyend? Gibt es nicht!
Es bricht
das Herz, im Gesicht
brennt die Tränengischt.
Das Orchester spielt bis zum
Gehtnichtmehr
«Näher mein Gott zu dir.»
Er geht dem näher, versinkt im
Meer.
Sie bleibt hier.
Trotz der stürmischen Flut
hört sie sein Flüstern;
«Für Dich wird alles gut.».
Die Liebe
verinkt nie!
© H. Aemmerli, Januar 1998