B. Lisa, ein Deutscher, ein Kleinbürger und Herr Patrizio

Ein Gedicht von Georg Babioch
Ein Vortragender:

Guten Tag, ihr Herren Indianer,
Ihr tragt an euerem Gold bestimmt schwer,
So gebt mir freiwillig das Gold in Kilos,
Gehortet in unseren Silos.

Dafür brauchten die Spanier ihre Sklaven,
Sie machten die Sklaven zu braven
Toten Gesinnungsgenossen und ließen mit Gewehren und Kugeln
Die Indianer ihr Blut lautlos gurgeln.

Es handelten auch die Buren
Wie Herren und sagten: Wir huren,
Huren bis Afrika,
Südafrika ist ja auch noch da.

Die Holländer mit einem Willen,
Um ihren Machthunger zu stillen,
Kämpften gegen die historischen spanischen Feudalen,
Um sich in größerer Macht noch zu aalen.

Und in Indien Herren waren auch doch,
Über viele Jahre doch noch,
Gelandet und den Welthandel begründet,
Wie es Kaufleute halt so pfründet.

Doch im gleichen siebzehnten Jahrhundert,
Die Deutschen nun, und wer wundert,
Wer möchte da noch was fragen,
Und über die Deutschen noch etwas sagen.

Sie zogen die Kriege schon an sich
Und sagten zu andern: Du mich
Wirst hoffentlich mich gleich schlachten
Und bitte dafür nicht verachten.

Sie zogen in den 30-jährigen Krieg,
So lange, bis es den Bauer totschwieg,
Als die anderen frische Seeluft inhalierten,
Die Deutschen höflich an Pest und Krieg krepierten.

Und dies ist tatsächlich ihre wirkliche Natur,
Wen wundert da ihre spätere nationale Statur,
Des 20. Jahrhundert der Geschichte,
Über den Deutschen, die Menschheit nun richte.

Lisa;

Sieht ja aus wie Kraut und Rüben hier,
Drüben Berlin, die Sozialisten und wir,
Stehen hinter der Mauer,
Auf der Lauer,
Nach noch besseren Zeiten,
Um Sozialisten bald zu sozialer Marktwirtschaft zu verleiten.

Einst noch türmten die die Kohlenhalden,
Höher noch als staatliche Salden;
Dennoch können wir uns wieder brüsten,
So als ob sich zwei Liebende brüsten;
Es sieht gut wieder aus,
Unser neues deutsches Fachwerkhaus.

Es ist wirklich vom allerfeinsten,
Gebiert selbst dem Gemeinsten,
Und auchder PDS, immer frech und kess,
Ist es nun gestattet, mit uns darin zu wohnen,
Es wird schon für uns irgendwie lohnen.

In zwanzig Jahren werden wir fragen unseren Herrn Kohl:
Herr Kohl, wie geht es ihrem Wohl?
Wohl geht es ihrem Wohl recht toll, woll,
Ich röchele eine Stunde noch wohl, toll;
Gelesen habe ich die Verordnung,
Es sei noch alles in Ordnung,
Und auch die Wirtschaft wieder
Verkauft gut Damenmieder.

Dein Deutscher betritt die Bühne, das Publikum erkennt ihn sofort und johlt. In seiner Linken trägt der Deutsche das Körbchen von Rotkäppchen und in seiner Rechten die Maske des Wolfes. Der Deutsche spricht den Reim nach der Frage, wo die deutsche Revolution geblieben sei:

Im Jahre 1917 hat Lenin auf mich gewartet,
Ein Jahr später habe ich die deutsche Revolution fehlgestartet,
Und die erste deutsche Republik,
Stück für Stück, historische Replik;
Wie wir von Kiel bis Berlin zunächst maschierten
Und der Gedankenwelt von Rosa und Karl hofierten;
Doch dann setzte ich die Maske wieder auf,
Diese da, die Wolfsmaske und noch im Verlauf,
Und schon nach wenigen Tagen der Revolution,
In nserer damalig deutsch-Görnischen Nation,
Ich Herr "Wolf" Noske mit Görner verhandelt
Und die deutsche Nation im nu in Rotsturzbäche verwandelt.
Dann wieder mußte die Ordnung bald her,
Ich nahm Rotkäppchens Korb, und ich bitte sehr,
Überreichte ihn der Revolution, den leeren da diesen,
Und hörte wie Liesen den trügerischen Frieden priesen.
Ebert nämlich haßte die Revolution wie die Pest,
Er hält sich heute noch lieber an der Pest nochfest;
Wir bereuen nicht: dem Thälmann haben wir den Hindenburg vorgezogen,
Haben Junkertum und Kommunismus gegeneinander abgewogen;
Na ja, nun gut: Hindenburg hat schließlich Hitler als Kanzler eingesetzt,
Und dies wiederum hat die erste eutsche Republik recht schwerlich verletzt und versetzt;
dafür aber hielt der wackere Wels eine mutige Rede,
Wenngleich zu später Stunde, eine sozialdemokratische Fehde.
Für ein danach - ich möchte seine Rede gewiß nicht abwerten - kam es reichlich spät,
Da die bürgerliche Demokratie in diesen Wirren wie vom Winde verweht

Aber für ein davor auch, immerhin führte er seinen
"Mein Kampf" schon über zehn Jahre,
Daß der Nationasozialist in den historischen Himmel einfahre.
Aber was soll es: die Geschichte lebt ja noch,
Und wir Sozialdemkraten wieder
Singen stolze Arbeiterlieder;
Doch die Geschichte beschwert mit achzig Millionen toten Köpfen,
Die jedoch kann kein Kapitalist mehr schröpfen.
Ich jedenfalls gehöre wieder zu den feinen Leuten,
Gewiß hatte ich nicht Indianerskalps zu häuten;
Doch die politische Ökonomie, dies ist so eine Sache,
Diese gehört bestimmt nicht zu meinem Fache,
Über Mehrwerte und Tauschwerte nachzudenken;
Ich möchte lieber mit einem schwarz-rot-goldenen Fähnlein schwenken,
Und sehe zu, daß ich zunächst über mich nachdenke,
Und den Geschichtsverlauf nach meinem eigenen Wohl verrenke.
Übrigens, wie geht es ihrem Wohl, Herr Kohl,
Wohl geht es ihrem Wohl recht toll, woll;
So blicke ich gerade heraus,
Politische Dünkel sind längst noch nicht aus;
Wennimmer nämlich ich wie Rotkäppchen blicke
Und meine Augenlieder entzückt nach oben verrücke,
Und gleichzeitig den Boden absuche,
Dabei heute den Kohl verfluche,
Ziehe ich mir die Wolfsmaske wieder auf,
Und im weiteren historischen Verlauf,
Muß ich einsehen, daß ich besser daran tue, als Rot-käppchen zu erscheinen
Und gleich einem Wolf stark zu reden, und bitterlich zu weinen;
Denn ich persönlich habe Rosa und Karl nicht erschossen,
Auch war ich weder in sie noch in ihn verschossen,
Aber mal ganz ehrlich: Meinem Geschmacke nach als Frau viel zu unverdrossen,
Warum auch sollten wir sie haben nicht erschossen:
Man erkennt in mir den Philosophen sogleich;
Als Sozialdemokrat spricht man das philoso-phische "Warum" so windelweich,
Und viele andere politische Fragen,
Halte ich keineswegs für Märchensagen;
Doch sind viele so wichtig auch wiederum nicht,
Etwa jener nach sozialen Klassen oder einer Gesell-
schaftsschicht.
Der Karl Marx war mir zu radikal,
Der Thälmann auf seinem Kopfe zu kahl.
Ich liebe das Geplusterte butterweiche,
In meinem Wohnzimmer steht schon die Vitrineneiche;
Der Sozialdemokrat hat fürwahr viele Seelen
In seiner Brust, eine könnt ihr euch von diesen auserwählen.

Der Deutsche tritt nun ab, legt seine Wolfsmaske in das Körbchen und nimmt in der ersten Zuschauerreihe
Platz. Es treten nun der Kleinbürger und Herr Patrizio auf, die uns nun eine andere Seite deutscher Geschichte zeigen wollen. Beide stellen sich gerade-
wegs an jener Stelle auf, wo der Deutsche gerade seine Ansichten zum Besten gegeben hat. Der Kleinbürger und Herr Patrizio verneigen sich vor dem Publikum und der Kleinbürger spricht folgende Worte:

Herr Patrizio, der Barnd der dreißig Jahre ist nun vorbei,
Leider waren wir beide dabei,
Es hat uns nicht verschont,
Ich habe in meinem Fachwerkhaus gewohnt,
Und sie Herr Patrizi zogen von Schloß zu Schloß,
Mit ihrem kaufmännischen Wagentroß,
Von Märkten zu Messen und umgekehrt,
Niemand hat ihnen den Weg verwehrt.
Und sie wollten die Feudalen studieren
Und auch ihren Gemahlinen hofieren,
Um die Zirkulationsgeschwindigkeit des Geldes zu erweitern,
Um nicht schon im siebzehnten Jahrhundert an Marktgesetzen zu scheitern.
Alle Achtung, Herr Patrizio, vor ihrer Karriere: Sie werden bald anders heißen: Herr Bourgeois,
Ich als Kleinbürger bin dann allerdings auch noch da;
Unser Land und unsere Städte wieder aufzubauen,
Und das Herz unserer feudalen Herren wieder aufzutauen.
Heutzutage jedoch haben sie es nicht leicht, Herr Patrizio, beinahe alle zehn Kilometer ein neuer Schlagbaum, wie und wann auch immer
Nicht leicht zu gelangen von einem zum anderen Zimmer,im Auftrage unterwegs, die örtliche Warenwelt zu erweitern
Um damit das Gemüt ihrer Gemahlin zu erheitern;
Und weichen sie aus, um wenige Kilometer,
Vom Grafen Brand zum Kurfürsten Peter,
So greift es ihnen schon wieder in die Tasche,
Man benötigt nicht erst zu schließen die Mantellasche,
Und herausgezogen sind einige Goldtalerdukaten
An Zoll - gewiß besser als die bäuerlichen Grabesspaten
der dreißig Jahre bis 1848 ...

Der Kleinbürger lacht ein wenig hüstelnd und zupft Herrn Patrizio einen Flusen von der Schulter. Herr Patrizio spricht:

Fürwahr, Herr Kleinbürger, ich erkenne es an,
Man hat es in der heutigen Zeit nicht leicht, doch irgendwann
Werden auch sie einsehen, daß die Zeit nicht steht;
Sie verhält sich so, wie der Wind stets weht;
Alles fließt, sagte einst Demokrit,
An diesem Satze ich bestimmt noch nicht litt:
Doch würde das Geld rascher umlaufen,
Könnte ich im Reichtum eher versaufen:
Ein schöner Tod,
Ganz ohne Not,
Zu beuten,
Während für mich schon die Glocken läuten,
Und den Kunden vom Preisniveau ablenken,
Ich lasse ihn darum bereits das schwarz-rot-goldene
Fähnlein schwenken,
Sehr zum Ärger der Feudalen,
Die als Feudalen sich auf ewig in der Geschichte möchten aalen, noch bevor Wahlen
In die Geschichte hineingetragen,
Um endlich bürgerliche Demokratie zu wagen.
Darf ich ihnen im Vertrauen sagen, Herr Kleinbürger:
die zweitauschendfache deutsche Kleinstaaterei
Ist fürwahr ein echtes deutsches Windei.
Übrigens, Herr Kleinbürger, Sie kommen mir heute so anders vor,
Sie schauen aus wie ein Arschgesicht,
Aber wäre dies etwas besonderes?

Der Kleinbürger lächelt ein wenig verlegen und verneigt sich vor Herrn Patrizio. Herr Patrizio fährt in seiner Rede fort:

Erinnern sie sich doch, Herr Kleinbürger, ich als ihr Verleger
War ihrer handwerklichen Künste wirklicher Heger
Und Gönner und habe ihre Preise bestimmt;
Bestimmt waren sie mir nie freundlich gesinnt;
Aber schon früher triefte es aus ihrem Munde;
Sie waren für mich immer da, zu jeder Stunde.
Ich sprach ein gutes Wort über ihre Konkurrenten,
Die die modischen Manufakturen bestimmt nicht ablehnten und deren Mehrwertrenten;
Doch sie wünschten mit ihren eigenen Händen,
Den gesamten Geschichtsverlauf eigenhändig zu wenden,
Wie mühselig, oh mein Gottchen,
Auf meinen damaligen Handelsschiffen ich damals schon dachte an ein stattliches Flottchen,
Bestückt mit Eisenkanonen,
Es muß sich für mich schließlich lohnen.
Nun aber haben wir den Salat,
Die Hugenotten kommen, tat
Brandenburg-Preußen doch die Hugenotten holen,
Weil die Franzosen den Hugenotten den Hintern versohlen.
Doch wir benötigten ihr Kapital für die Manufaktur,
Ihnen, Herr Kleinbürger, ist dieser Gedanke eine Tortur;
Wenn sie nicht achtgeben, Herr Kleinbürger, werden sie als mittelloser Lohnarbeiter auf dem Markte gelten,
Um mich lauthals als Ausbeuter und Kapitalistenpack zu schelten.
Nun ja, der Franzose wird die Revolution schon noch machen,
Gegen Ende des 18. Jahrhunderts wird es fürchterlich krachen.
Zuerst werden herrschen die Sanculotten
Und Robesspierre, die werden sich aufführen wie die Hottentotten;
Dann werde ich der Diktatur den Vorzug geben,
Um in ganz Europa nach bürgerlicher Revolution nunmehr streben.
Diese läßt sich gut verkaufen;
Es werden wachsen die Halden und Warenhaufen;
In allen Ländern bin ich dann präsent,
Ich hoffe nur, der Brite pennt;
Doch was soll er gegen die Kontinentalsperre machen,
Soll auch er einen Kontinentalkrieg entfachen?

Herr Patrizio unterbricht sich, schaut den Kleinbürger neugierig an und spricht weiter:

Übrigens, Herr Kleinbürger, ihr Mund ist leck,
Wischen sie sich ihren Speichel hier mit dem Tuche vom Munde weg.
Ja, ja, tatsächlich, sie spornen mich an,
Nach oben zu kriechen, dann und wann
Treff ich sie dann irgendwo wieder
Und dann und wann singen sie mir schöne Speichelleckerlieder.

Herr Patrizio zieht ein weißes Taschentuch aus seinem Rock und wischt den triefenden Speichel vom Munde des Kleinbürgers ab. Herr Patrizio spricht weiter:

Habe ich nicht recht, Herr Kleinbürger?
Alles ist zu nutzen, der Henker, der Würger,
Nicht zu verachten den Strang und die Guillotine;
Ich sehe es ihnen an an ihrer Mine,
Wie überaus recht sie mir geben,
Auch sie möchten nach Höherem streben.
Nur Gott bewahre, uns beiden haben nicht geholfen,
Geholfen haben uns beiden letztlich nicht die adolfen;
Alles gleich wieder zu zerstören,
Einzig den Satan im Menschen zu betören,
Den Juden auszurotten, zu eliminieren,
Um hernach als Menschheitsretter zu kanidieren.
Herr Kleinbürger, es wird für mich Zeit,
Mein heutiger Weg ist noch weit;
Noch viele solcher Laffen,
Affen werde ich treffen, und wie diese gaffen;
Doch auf Wiedersehen, wann sehe ich sie wieder,
Ach was, immer wieder singen sie mir Speichelleckerlieder.
Sie sind und bleiben ein Arschgesicht;
Oh Gott, wie mich heute wieder die Sonne sticht.

Herr Patrizio reicht zum Abschied dem Kleinbürger die Hand, der Kleinbürger zieht und zerrt kräftig an ihr; beide treten ab.

Informationen zum Gedicht: B. Lisa, ein Deutscher, ein Kleinbürger und Herr Patrizio

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-
29.07.2012
Das Gedicht darf weder kopiert noch veröffentlicht werden.
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