Anmerkungen zur deutschen Einheit
Ein Gedicht von
Georg Babioch
In unseren Städten schauern saure Regen,
Die Industriellen allerdings gar nicht verlegen,
Wie sie das Lied der sozialen Marktwirtschaft besingen,
Währenddessen andere noch mit ihrem Unwohlsein am Armentuch wringen.
Wenn die Schwarzen ihr Gezeter entfachen
Und klammheimlich über sogenannten sozialen Abstieg lachen,
Und das hohe Lied von ihrer sozialen Ader sprechen,
In Wirklichkeit aber der wahren Einsicht gebrechen,
Der Einsicht über die reale Wirkung von Marktgesetzen,
Und mit diesen weiterhin die hohe Moral der Soliraität verletzen;
So also sind bedenkliche Zeiten längst angebrochen,
Es hat in meinen Notizen darüber so jämmerlich nach Moder gerochen
Und anch über vierzig Jahren altem Schimmel,
Graue Nebelschwaden steigen auf zum Himmel.
Und der Mehmet, der ist aus der Türkei angereist,
Es hat ihn fürwahr an den Rand unserer Gesellschaft verwaist,
Schlecht bezahlt und weidlich angefeindet;
Früher hat er in Anatolien noch geruhsam Schafe und Ziegen geweidet
Und die pralle Sonne Anatoliens genossen,
So also sind ihm die Zeiten verflossen.
Seitdem lebt er in einem Kellerloch,
In Nachbarschaft von ihm eine Maritta Koch,
Eine fettfeiste Säuferin,
Mit einem herrlich gewaltigen Doppelkinn.
Heute spart der Mehmet auf ein Geschäft
In der Türkei, währenddessen ganztägig im Hofe ein Köter kläfft.
Solch eine deutsche Einheit sei nicht um jeden Preis,
Milliarden Mark der "Solidarität": dieser Preis ist heiß
Und wundersame Glaubenstüten für viele andere,
Damit uns so mancher als Bettler entgegenwandere.
Daß wir beizeiten die Währungsunion besingen,
Auch Nato-Melodien möchten dabei laut erklingen,
Und um jene Demokraten einzuvernehmen,
Ihre Identität mit Lug und Trug zu rauben und zu lähmen.
Bedenkliche Zeiten sind eingekehrt,
So lange Stoltenberg die Diskussion mit Soldaten bis zur Oder beschwert:
Bedenkliche Zeiten sind mir eingefallen,
Sosehr sie von sozialer Marktwirtschaft scherzen und lallen
Und jene Demokraten mit der Bundeswehr verwalten,
Um derweise Europa in weitere Lager zu spalten.
Zur Probe verbrachte ich eine Nacht im Bette,
Es handelte sich unächst um einen Schabernak bloß, um eine Wette:
Darum küßte ich an der Muse
Und köpfte schon auf ihren Rock und ihre Bluse:
Ich habe ihr das Lied der deutschen Einheit anders gesungen,
Wie offen und ehrlich haben meine Melodien ihr geklungen;
Keim einziger schiefer Ton war dabei,
Ich glaube, ich riß ihr sogar ihre Bluse entzwei;
Währenddessen ich ihr von Mehmet erzählte,
Und sie fragte, ob sie schon einmal an einer Urne wählte;
Denn sie war gerade aus Leipzig gekommen,
Vorher hatten wir zwei Runden bloß um die Wette geschwommen.
Hinweggefegt meine Notizen bedenklicher Zeiten,
Ich werde sie künftig noch oft zur Liebe und Einheit
verleiten;
Doch meine Wette ward verloren,
Für eine einzige Nacht nämlich habe ich sie ursprünglich auserkoren.
Sie aber übte sich selbst in eigenem Verlangen,
Wie sehr wir zwei zunächst und dauerhaft um Vorrechte rangen.