Traumfahrt
Ein Gedicht von
Friedrich Graf
Traumfahrt
Auf des Ozeans großer Weite
treibt ein Schiff der Küste zu;
vorn am Bug, voll Lebensfreude,
steht ein Mensch, und das bist du.
Suchend nach dem fernen Lande
pflügt dein Blick sich durch die Nacht,
und dein Geist zerreißt die Bande,
die die Dunkelheit gebracht.
Gierig hörst du in der Ferne
den Verlockungsruf der Welt,
der sich in dem Schein de Sterne
deinem Ziel entgegen stellt.
Süße lasterhafte Töne
klingen schmeichelnd in dein Ohr,
zierlich, weich, steigt eine schöne
Venus aus dem Meer empor.
Sanfte Träume harren deiner,
die die Sehnsucht dir gebar,
deine Schmerzen werden kleiner,
deine Wünsche werden wahr.
Wild, in ankerlosen Räumen,
schwebst du glücksbeseelt dahin,
keine Lust willst du versäumen,
im taumeligen heißem Glüh´n.
Du ergierst dir zarte Glieder,
von dem Leib, der dich ergötzt;
gab er Nahrung immer wieder,
hungrig bliebst du doch zuletzt.
Berauscht warst du beim Taschen füllen
mit viel Geld und mit viel Gold,
und bliebst Bettler nach dem Wühlen,
weil du stets noch mehr gewollt.
Auch des Königs Herrscherkrone
trugst du stolz auf deinem Haupt,
bis du spürtest, dass am Throne
mit der Zeit die Macht zerstaubt.
Alles dies hast du gesichtet
durch die visionäre Wand,
während ruhig dein Schiff sich richtet
hin zum fernen Heimatland.
Plötzlich wächst in dir der Zweifel,
ein faustisches Dilemma droht:
Sollst du folgen deinem Teufel,
oder folgen deinem Gott?
Schmerzvoll, mit Gewissenskrämpfen,
rufst du in die Sternenhöhen:
„Lasst mich standhaft weiterkämpfen,
oder tapfer untergehen!“
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(© Friedrich Graf)