VERLORENE SCHAFE
Ein Gedicht von
Eva Radilé
VERLORENE SCHAFE
Die Schafe brechen aus.
Fliehen mit letzter Kraft
Das kalte zugige Haus
Und Weiden ohne Saft.
Nagender Hunger treibt sie fort.
Entschlossen und mit zähem Willen
An einem andren Ort
Die innre Leere auszufüllen.
Die Hirten haben lang vergessen,
Wo Wasser fließt und volle Tröge stehen,
Wo's gibt genug zu fressen
Und satte Gräser wehn
Haben vergessen, dass Wölfe lauern,
Schmieren Farben auf zerbrechende Mauern:
Kommt wieder, Ihr Schafe, hier ist es doch schön!
Doch die Schafe wollen das alles nicht sehn.
Statt Ihre Herde zu leiten
Laufen sie hinterher
In Irre und in Weiten
Und in ein Dornenmeer.
Nicht achtend der Nöte
Spielen sie Flöte,
Lachen und tanzen
Zu leeren Ranzen.
Wo ist saftiges Gras
Und ein nährendes Mahl,
Erfrischendes Wasser,
Ein Ende der Qual?
Wer schützt seine Herde?
Gibt lebendiges Brot?
Warnt vor Gefahr?
Bietet Schutz in der Not?
Du Hirte, LIEBST du der Schafe Schar?
Führst das irrende heim?
Setzt in großer Gefahr
Gar dein Leben ein?
Solch ein Hirte, Ihr Herren,
Wär ein großer Gewinn
Und die Schafe liefen in Scharen hin.