Mein Held

Ein Gedicht von Erika Tillmann
Eine Amtsstube - luftig - vom Licht durchflutet
Ein sehr höflicher Mensch im geblümten Hemd
Fragen und Antworten - rasch, rasch! Die Zeit rennt!
In fünf Minuten muss ich bearbeitet sein


Woll - hurtig geht's zu in einer Amtsstube
"Früher einmal zählt ich mich zu den Glücklichen",
er sagt. "Wieso das?, ich frag, Erstaunen entwich'n
"Bis ich ward krank - besser als tot in der Grube"


Ein Blick streift mich - kehrt von irgendwo zurück
"Kinderlos war ich froh Zeit zu finden mich hier
auch in meiner frei'n Zeit zu schinden.Was für'n Glück!


So erbarmungslos der Druck der Arbeitslast
Und ich dacht: Was machen nur die, die keine Zeit
finden sich hier in ihrer frei'n Zeit zu schinden?


Wie halten die das aus? Die Antwort lautete: gar nicht
Zwei von uns sind ganz tot - zwei andere fast
Auf die Verblieb'nen wird verteilt der Arbeit Last
Man fragt: Ist die Rente nicht bald in Sicht?


Traurig und wahr: Viele von uns erreichen sie nicht
oder überleben sie nicht lang. Viel zu schwer,
viel zu viele Aufgab'n von des Diensttuenden Herrn
Und wir? Dienstbeflissen tun wir unsere Pficht


Auch wenn sie uns kostet des Lebens Leichtigkeit
Unsere Gesundheit an Seele und Körper ..."
Er lächelt ganz sacht:"Ich wurd durch Krankheit befreit


Wird die Seele krank, holt's uns von den Füßen
Das Selbst vergessen, das Ich negier'n im Streben
zu funktionieren . wir müssen's teuer büßen"


"Wahnsinn!", ich sag. "Ein solches Gebaren vom Staat?!
Ich kenn's aus der freien Wirtschaft,doch auch hier
wird versucht sich reich zu sparen aus reiner Gier
trotz Sorgfaltspflicht wird verlass'n der Menschlichkeit Pfad"


Es ist so traurig, wohin man auch schaut
Überall verliert der Mensch im Rennen um's Geld
Der Preis des Profits: Die Menschlichkeit in der Welt
Wärme, Respekt, Achtung - so viel ist schon verlor'n


Gibt's denn einen Weg raus? Ja, den gibt es
Doch er erfordert Mut - Mut nicht zu funktionier'n
Mut, dem Leben, nicht dem Hab'n Priorität zu geb'n


"Karriere mach ich keine mehr", sagt er leise,
lächelt wieder sacht. Sein Blick zum Fenster wandert
"Das Gezwitscher, das sind Girlitze und Meisen"

Informationen zum Gedicht: Mein Held

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10.04.2016
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