In der Liebe Angesicht
Ein Gedicht von
Erika Tillmann
"Ich liebe dich", sie sagt, strahlt zu mir herüber
"Ich dich auch." Mein Blick sich von den Zeilen hebt,
tauch ich auf aus einer Welt, die aus Wort'n gewebt
Hände sich berühr'n - welch Glück in uns'rem Stüberl
Seufz - wie aufmerksam, wie liebevoll sie doch ist
Das Strahlen auf mein'm Gesicht spür ich auch im Bauch
eh ich wieder in die Welt aus Zeilen eintauch
In meinem Buch wird gerade der Held vermisst
Der ungeliebte Sohn vom Vater ausgesandt
um aufzuhalten die Horden der Feinde
Ganz umsonst! Das Land schon längst in deren Hand!
Die feindlichen Truppen steh'n nun vor dem Stadttor
Wird es den Rammstößen trotzen und standhalten?
Wurfgeschosse fliegen, schlagen ... "Ich liebe dich"
Meiner wandernden Hand mein Blick widerwillig folgt
Finger und Blicke berühren sich "Ich dich auch"
Dieses Mal strahlt nur mein Gesicht - ganz ohne Bauch
Noch ein Streicheln - Was ist denn jetzt mit Faramir?!
Oh je! Pip versucht sich seiner Angst zu stellen
Da! Die Orks sind durch! Kämpfe Schreie Schlachtenlärm
Pip sucht seinen Mut, ist wie erstarrt "Ich liebe dich"
Um ihn herum Menschen sterben, Schreie gellen
"Ich liebe dich",nachdrücklich dringt's an mein Ohr
'Jetzt nicht',ich denk.Pip geh da weg! Verschwinde da!
Schon manch größerer Recke sein Leben verlor!
"Liebst du mich nicht mehr?"Verwirrt verlass ich Gondor
"Wie kommst'n darauf?" "Du antwortest ja gar nicht"
Die Brau'n gerunzelt frag ich mich: Was geht hier vor?
"Natürlich lieb ich dich, was denn sonst! Glaubst du's nicht?"
Ein gückliches Nicken - Finger berühren sich
Die Nase im Buch beäug ich sie heimlich
Irgendwas ist hier schräg - also aus meiner Sicht
Soll ich mir ihre Liebe so groß denken,
dass sie's mir alle paar Minuten sagen muss?
Mit warmen Lächeln, Streicheln und 'nem Kuss
Und reagier ich nicht, würd' es sie kränken?
So, wie's gerade eben fast schon ist passiert
Da! Jetzt lächelt sie und scheint ganz zufrieden
Es ist als ob sie, wenn ich lese, was verliert
Ein ganz, ganz warmes Gefühl mich durchflutet
Oh, wie wunderschön! Als ob, wenn sie auch nur
für Minuten ohne mich ist, ihr Herz blutet
Ich klapp mein Buch zu und warte auf: Ich liebe dich
Voller Vorfreude, warmen Glühen und Glück
Stirn umwölkt - hoffentlich kommt Faramir zurück
Dass er's überlebt, ist eher unwahrscheinlich
Ja, die Geschichte hat mich in ihrem Bann
Würd schon gern weiterles'n - aber jetzt wart ich mal
Und sie? Sudoku rätselnd löst sie Zahl um Zahl
Gleich sagt sie's wieder - ich hör schon den Klang
Minuten verstreichen - hmm - und sie bleibt still
Aber sie lächelt und zwinkert mit glücklich zu
das erwidernd frag ich mich: Ist's was ich will?
Nein. Mich drängt's zurück nach Gondor. In die Schlacht
Zu Gandalf und Pip. Es steht auf Messer's Schneide
Das nächste 'ich liebe dich' braucht länger als gedacht
Sie sieht doch nun auch ganz glücklich aus, ach ja
Ich kann bestimmt gleich ungestört weiterlesen
Orks sind auch wirklich widerwärtige Wesen
Gedankenversunken ich vor mich hin starr
Faramir mich so berührt, wie einst Hamlet
Die Haltung, das Aufrechte, die Ergebenheit
- sie ist seit Minuten still - ich glaub,'s ist soweit
Jetzt mal zehn Seiten lesen, das wäre nett
Ich hab das Buch kaum aufgeschlagen, da passiert's
"Ich liebe dich" - die Worte erwidere ich
doch das Gefühl dazu - ich glaube, es friert
Polonius' Worte mir durch den Kopf schießen:
"Ist's Irrsinn, so hat's aber doch Methode"
Wie kommt's. dass Worte der Liebe mich verdrießen?
Irgendiwe hat's Methode - ist's auch keine Irrsinn
Es passiert nichts, so lange ich drauf wart
Kaum nehm ich das Buch zur Hand, schreitet sie zur Tat
Kann sie's nicht ertragen, wenn ich versunken bin?
Versunken in einer and'ren Welt - ganz weit weg
Nicht hier bei ihr - zumindest im Geiste nicht
Ihr Tun, Handeln, trägt der Liebe Angesicht
Doch was, wenn sich dahinter was and'res versteckt?
Gedankenvoll schlag ich das Buch wieder zu
Ich sitze und tu nichts anderes als Sein
Und auch zehn Minuten später ist noch Ruh
Lange genug gewartet - ich will's jetzt wisssen
Das Buch zur Hand, die Stelle gefunden -
sagt sie's nicht, ich würd's überhaupt nicht vermissen
Zwei Absätze und drei Zeilen später sagt sie's
In mir sich nun wirklich Ärger zusammenbraut
Wie kann's sein, dass Liebe mir die Ruhe klaut
Doch ist dieser Ärger gerecht? Ich fühl mich mies
Anstatt Wärme im Bauch spür ich nun eher Wut
Sie stört mich! Immer wieder! Ohn' Unterlass!
Ich frag mich allen Ernstes: macht Liebe so was?
Und warum fehlt mir zum STOPP sagen der Mut?
Ich könnt's, würd sie mich mit 'was anderem stören
Mit Fragen, selbstgesprächen, lautem Summen
Sie wartet. Ich tu vertieft, als würd ich nichts hör'n
Könnt ich auf ein 'Ich liebe dich' 'stör mich nicht' sag'n?
Es würd verletzen - zurückweisen - irgendwie
Ich hör schon jetzt ihre Worte, würd ich's wag'n
Was das für 'ne Liebe wär, würd sie mich fragen
Und ob überhaupt! Vorwürfe ohne Ende!
Ich schau zu ihr hinüber - ihr Blick spricht Bände
Meine Gedanken jagen - ich will's nicht sagen
Soll ich wirklich belohnen ihre Rücksichtslosigkeit?
Wüsst ich doch nur, ob ihr nicht doch etwas fehlt?
Vielleicht ist's Unsicherheit, die sie mir verhehlt?
Zu helfen - zu geben wo's fehlt, ich wär bereit
Mich dünkt, mit Liebe hat das nichts zu tun
Doch verhüllt's sich hinter der Liebe Angesicht
Es lässt mich nicht zu mir kommen und ausruhn
Ich fühl mich schon wie eine Marionette
Die ständig sagen soll, was sie hören will
Doch was ist das? Wenn ich nur 'ne Idee hätte!
Liebe gibt. Sie unterstützt, sie sorgt, sie wärmt
Sie benutzt nicht, einzig um sich selbst zu versorg'n
Denn täte sie's, würde sie sich selbst morden
Ich fühl mich fortgetrieben, weit von ihr entfernt
"Du hast noch nichts gesagt. Weshalb schweigst du so lang?",
sie fragt. "Ich habe nachgedacht", antworte ich,
"und sich kaum ein guter Gedabke anschlich.
Du holst dir was von mir und ehrlich: mir wird bang.
Es geht dir um Aufmerksamkeit - um Energien
Du nutzt der Liebe Angesicht um's zu bekomm'n
Sonst hätt ich dir nicht so oft mein Ohr geliehen
Also: Ein für alle Mal: Ja, ich liebe dich
und nun muss ich les'n. Ich muss unbedingt wissen
ob Faramir noch lebt - also stör mich nicht."