Die Sicherheitsunterweisung oder die Leiden eines Daumens
Ein Gedicht von
Belix Bahei
Ein armer Daumen, ein arg gequetschter
wurd umsorgt von einer Krankenschwester.
„Ich wundere mich schon, kleiner Mann,
wie so etwas bloß passieren kann.“
„Ach Gott“, sprach der Daumen, „du meine Fresse.
Ich kam halt einfach unter diese Presse.
Plötzlich, mit Gewalt, sauste sie danieder.
Eh ich es sah brach sie all meine Glieder.
Der Meister hat nichts von der Gefahr erzählt“,
sagte der Daumen, der sich vor Schmerzen quält.
„Das ist nicht wahr“, rief der Meister lautstark und sichtlich empört.
„Er hat bei der Unterweisung einfach nur nicht zugehört.
Ich sprach von Sicherheit und den möglichen Gefahren,
und wie wir uns bei der Arbeit vor Schaden bewahren.
Ich sprach von Schutzhandschuhen und unserem Verhalten,
und wie wir unsere Arbeit sicherer gestalten.
Doch der Daumen spielte mit dem Smartphone, die ganze Zeit.
Es mangelte bei ihm an gespannter Aufmerksamkeit.
Da, wo er dann schließlich war, dort durft er nicht sein.
Die Schuld, die trifft ihn letztlich ganz und gar allein.“
Ach, du lieber Daumen, bist so sehr zerdrückt,
aus Dir wird nie wieder ein gesundes Stück.
Leider, ich mag es gar nicht laut benennen,
müssen wir Dich von deinen Brüdern trennen.
So verlor ein Daumen aus Unachtsamkeit sein Leben.
Es könnte aber auch einen anderen Schluss geben.
Ein Mensch, jetzt schweißgebadet, erwacht
aus dieser alptraumdurchtränkten Nacht.
Er sucht seine Daumen an jeder Hand,
froh, dass er jeden auf seinem Platz fand.
Doch solch ein Glück wird sicherlich aber nur jenem beschert,
der bei Sicherheitsunterweisungen aufmerksam zuhört.
Belix Bahei
belixbahei@hotmail.com