Pieta

Ein Gedicht von Angelika Zädow
Karfreitag 2017, Domschatz Halberstadt

„Jetzt weiß ich, was das ist - eine untröstliche Seele“,
Sie schaut mich an, eine Träne auf der Wange.
Sie weint still.

Ihr Blick geht zu dem Kind, ihrem Kind.
Die Tochter liegt wie schlafend in den Kissen.

„Lina“, flüstert sie flehend
als könnte sie das Leben zurückholen
in den kleinen Körper

„Lina“, sagt sie noch einmal leise
und streicht eine Haarsträhne
aus dem blassen Gesicht

„Weißt Du, die letzten Tage war sie
schon nicht mehr auf dieser Welt“
Sie zeigt auf ein paar Bilder

„das sind die letzten, die sie gemalt“
Blumen und Schmetterlinge,
immer wieder bunte Schmetterlinge
Auf den Bildern fliegen sie himmelwärts

Eine Woche später stehen wir vor dem Sarg
Die Mädchen und Jungen ihrer Klasse haben
Erinnerungen darauf gestaltet
an die gemeinsame Zeit:
Die Klassenfahrt in die Eifel
Der Ausflug ins Schwimmbad
Der Besuch im Tierpark

„Schön“, sie lächelt,
„das hätte Lina gefallen
Sie war so voller Leben.
Und das – ja, das bleibt
Die Sehnsucht nach Leben.
Einfach Lina - Leben eben“
Entschlossen wischt sie eine Träne weg

Am Grab lassen wir Luftballons
fliegen
himmelwärts

Informationen zum Gedicht: Pieta

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02.09.2017
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