Der Advent
Ein Gedicht von
Angelika Zädow
Der Advent
Der Advent lümmelt sich lustlos im Bett.
Die Vorhänge sind zugezogen.
Dunkel ist`s im Zimmer.
Grau im Dezember draußen.
Der Advent ist schlecht gelaunt.
Wozu aufsteh`n?
Wozu von der Sehnsucht und der Hoffnung erzählen,
dass ein Licht kommen wird – ganz sicher, ganz gewiss?
„Naiv, weltfremd“ nannten das die Menschen
und verdrehten müde die Augen.
„Sieh doch“, sagen sie, „Finsternis regiert die Welt“:
„Krieg und Tod, Gewalt und Elend, Angst und Lüge …“
„Was redest du da von lichtvoller Hoffnung?
Es gibt nichts Helles mehr.“
Dann schüttelten sie den Kopf, zuckten mit den Schultern,
manche seufzten und alle gingen sie weiter durch ihre graue Wirklichkeit.
„Finsternis regiert die Welt“, murmelt der Advent ins Kissen.
Ja, das hatte schon der Prophet Jesaja vorher gesagt.
„Finsternis regiert die Welt“
„Finsternis …“
MO - MENT!
Der Advent stutzt und setzt sich auf.
Wie war das noch?
Dieser Satz ging doch weiter…
Der Advent schlägt die Decke zurück.
Und kramt das alte Buch unterm Bett hervor:
Das mit den Gedanken der Menschen vor seiner Zeit:
Und schlägt bei Jesaja nach:
„Finsternis regiert die Welt und Dunkel die Völker,
aber über dir geht Gott auf und sein Glanz erscheint über dir.“
Das wars!
Aber über dir!
Glanz aus Gott.
Das ist die Botschaft.
Das ist MEINE Botschaft, denkt der Advent.
Wie mein Name sagt: Advent - Ankunft.
Ankunft von der Botschaft dieser Gegenkraft.
Gegen das Dunkle, gegen die Finsternis.
Beharrlich immer weiter
durch die wechselnden Zeiten
leuchtet Gottes Glanz an -
gegen alles, was mich runter ziehen will,
was mir die Laune verdirbt,
was mir Angst ins Gemüt pflanzt,
was meine Gedanken kreisen lässt,
was mich klein macht,
was mir einreden will,
dass eh alles keinen Zweck hat …
Der Glanz Gottes …,
der Advent schaut auf das alte Buch,
So viele Geschichten von Menschen,
die den Lichtspuren Gottes gefolgt waren.
Entschlossen zieht er die Vorhänge zurück:
Das Dezembergrau schien auf ihn zu warten.
Es war Zeit, neue Lichtspuren zu legen.
Und davon zu singen und zu sagen,
dass Gottes Glanz ein Gesicht bekommen hatte:
im Kind in der Krippe.
Und dass Gott in diesem Kind alle empfängt:
die Frommen und die nicht Frommen,
die Hungrigen und Satten,
Kinder und Erwachsene.
Bedürftige und Zufriedene,
Kranke und Gesunde,
traurig Gestimmte und Fröhliche,
mich und alle anderen auch.
Der Advent zieht die Türe hinter sich zu.
Stapft mutig durchs Dezembergrau
Verteilt seine Lieder, die Düfte und den Kerzenschein,
vor allem die Botschaft von Gottes Geburt in der Welt,
unter den Menschen,
wird nicht müde, zu erzählen,
dass Frieden und Gerechtigkeit möglich sind.
Weil die Zukunft Gott gehört.
Manchmal war zu spüren wie
Klänge und Worte
etwas zum Schwingen brachten.
Und Menschen aufhorchten und neue Wege fanden.
Wie Gottes Glanz in ihnen auf leuchtete
und ihre Herzen hell und licht wurden.
Manche ließen ihre Sorgen und Ängste zurück,
suchten die Nähe der anderen
und setzten gemeinsam ganz vorsichtig
- Schritt für Schritt -
ihre Füße auf den Weg
des Friedens und der Gerechtigkeit.
Neue Lichtspuren entstanden
Und kündeten vom Glanz aus Gott:
dass Sein Heil die ganze Welt umfasst:
Die sichtbare und die unsichtbare.
Die analoge und digitale:
das Zeitliche und Ewige.
Dass Liebe und Güte möglich sind,
Versöhnung keine Utopie bleiben muss.
Zufrieden schaute der Advent auf die neuen Spuren:
„Geht doch“, brummte er.
Und kehrte nach Hause zurück und träumte noch lange von diesem Wort:
„Über dir geht Gott auf und sein Glanz erscheint über dir.“