Weggabelung

Ein Gedicht von Regina Wey
***

Auf dem Perron stehen Züge
gleicher Art, doch and'res Ziel,
Entschuldigung nur eine Lüge,
hört sie sich an, sagt nicht viel.

Nur ein "Tschüss" so auf die Schnelle,
letzter Blick fällt kurz zurück,
denn schon steht er an der Schwelle
hin zum neuen Lebensglück.

Was zusammen man noch hatte,
ach, wie bald ging es dahin,
war nicht Ehefrau, nicht Gatte,
Kindchen schläft im Wagen drin.

Kleines Winken hinter Scheiben,
und die Frau läuft nebenher,
sie ahnt schon, er wird nie schreiben,
dann sind die Geleise leer.

Kann sie ihn wohl je vergessen?
Sicherlich wird er es nicht;
ihr Anwalt hat sie gut bemessen,
seine Alimentenpflicht.

Und nach fünfundzwanzig Jahren
steht eine hübsche Frau vor ihm,
mit grünen Augen, braunen Haaren,
sagt: "Mama hat dir nie verzieh'n."

"Letztes Jahr ist sie gestorben,
ich fand dies Bild von dir daheim."
"Mein Leben hast du nicht verdorben."
Sie geht. Er bleibt zurück, allein.





(c) Regina Maria Wey

Informationen zum Gedicht: Weggabelung

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12.09.2024
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