Der schwäbische Weinkenner
Ein Gedicht von
Heiner Hessel
Ein Gasthaus auf der Schwäb‘schen Alb,
bekannt für gut gepflegten Wein.
Ein neuer Wirt von „Außerhalb“
zog hier im letzten Monat ein.
Der glaubte, Tradition und Stil
sie passten nicht in dieses Haus;
Erneuerung das war sein Ziel,
und räumte alles Alte aus.
Die Speisenkarte wurd‘ modern
und auch die Möbel - selbst beim Wein
da kehrten neuerdings auch gern
ganz neue Sorten plötzlich ein.
Seit Ewigkeiten kam der Franz
zum „Abendviertele“ in dieses Haus,
war stets zufrieden voll und ganz,
ging immer erst recht spät nach Haus.
Von diesem „aufgehübschten“ Stil -
der Wirt hingegen nennt‘s Design,
da hielt‘ der Franz nicht allzu viel;
ihm geht’s ausschließlich um den Wein.
Wie einst bestellt er einen Roten
und hat den ersten Schluck geschluckt,
schon hat im Hals er einen Knoten,
hat alles wieder ausgespuckt.
„Was koscht der Essig du Verbrecher?“
„Vier Euro!“ sagt der Wirt sofort.
Da gab fünf Euro ihm der Zecher,
nahm seinen Hut und war schon fort.
„Halt“, rief der Wirt, „Du kriegsch was raus!“
„Nei, nei, des gibsch dem nägschte Gascht,
der sauft vielleicht den Essig aus,
den du als Wein mir ei‘gschenkt hascht!“